Mit den Opernfestspielen dieses Jahres ging auch die Ära Nikolaus Bachler an der Münchner Staatsoper zu Ende, am 31. August mit einer Aufführung von Wagners „Tristan und Isolde“ unter der musikalischen Leitung
von Kirill Petrenko (der leider schon 2019 Chefdirigent der Berliner Philharmoniker geworden war) und der Neuinszenierung des Polen Krisztof Warlikowski – glücklicherweise als „Oper für alle“ auf dem Marstallplatz
einem großen Publikumsbereich gratis zugänglich gemacht (wobei sogar das launische Sommerwetter ein Einsehen hatte), was Herrn Bachler einen letzten Auftritt ermöglichte.
Ich durfte im Hause die ganze Tiefe der musikalischen Interpretation, die Kraft der Musik Wagners in diesem Werk durch den Dirigenten, das Orchester und die Sänger erleben,
wesentlich geprägt durch die orchestrale Stimmführungvon von Jonas Kaufmann und Anja Harteros, die mit ihrer Musikalität und den Farbnuancen zum Traumpaar der Ära Bachler geworden waren.
Begünstigt wurde d i e s e s Erleben dadurch, daß man den Text über der Szene mitlesen kann (zur Nacharbeit auch im Programmheft abgedruckt) – die Szene verliert so etwa an Aufmerksamkeit,
ebenso das Wundern über manche Details der szenischen Vermittlung, die auch das Programmheft nicht erklärt.
Erstmals bin ich dem Werk als Gymnasiast an der Wiener Staatsoper(mit Windgassen und Nilsson – soviel weiss ich noch) begegnet,
dann erst wieder hier in München: ohne Szene im Herkulessaal (Bernstein, Behrens, Hofmann) und szenisch in der letzten Inszenierung durch Everding (Sawallisch, Wenkoff, Behrens).
Soll man eine Geschichte anhand einer Mischung aus Dichtung und Sagenversionen aus dem 12. und 13. Jhd erzählen, oder wie in welche Zeit mit welchen Schwerpunkten transferieren? Oder durch eine Bebilderung Stimmung erzeugen?
Warlikowski will ein inneres Geschehen in den Personen darstellen, psychologisch tiefenpsychologisch, wie alles aus den Fugen gerät, auf den Kopf gestellt wird – ohne konkrete Zeit an konkretem Ort, ohne rechte Geschehensabfolge bzw. diese ingorierend (Reduzierung auf e i n e Isolde, erste Begegnung und lange Vermeidung einer weiteren;
die ausweglosen Situationen, die real nicht lebbar sind – beginnend im ersten Akt, mit Rachemord und Selbsttötung – wirklich? Was ahnt Brangäne? Was ist wirklich bei der ersten Blick-Begegnung geschehen? (Wagners Musik hier schon bei dieser Stelle!)
Er findet zu früh eine gemeinsame Todessehnsucht/Todestrieb/Selbstmord (siehe die Aufsätze – alle konnte ich noch nicht lesen).
Am Abend vorher wird Bachlers Abgang in den Ruhestand gefeiert – in einem Konzert mit einem Auftritt vieler die Ära prägender Sänger,
dirigiert von Nagano bis Petrenko, ebenfalls übertragen aufden Marstallplatz und im Internet: „Der wendende Punkt“
Und nach dem letzten Tristan und dem Dank an die Ausführenden spielt das Orchester plötzlich „Muaß i denn zum Städtele hinaus“ mit projiziertem Text zum Mitsingen:
“ wenn i kumm, wenn i wiederwiederkumm kehr ich ein mein Schatz bei Dir“:
eine dringende Bitte insbesondere an Kirill Petrenko (der sie sichtlich verstanden hat) und die kommende Leitung des Hauses!
MünchenBlick/ Walter Schober