Es ist gewiss ein aufregender Fall, wo Fragen gestellt werden müssen. Es ist aber auch Wahlkampf, und da kommt eine Partei nach der andern, um den Regierenden am Zeug zu flicken – man muss das genauso prüfen!
Ich nehme einmal den Faktenverlauf, wie er von der dpa auf 5 Seiten (auch im Fernseher anzusehen) dargestellt wird,
und da stellen sich mir schon einige Fragen, kritisch nach allen Seiten.
Eine grundsätzliche Vorbemerkung: Kein Justizministerium ist Chef eines Gerichtes – Frau Merk konnte also keinen Einfluss auf die Rechtssprechung nehmen:Sie steht für die Exekutive (Verwaltung) und kann Vorarbeiten für die Legislative leisten (in der Formulierungsarbeit eines Gesetzes, wie die entsprechenden Ausschüsse).
A. Die groben Fakten des Verlaufes:
Vor über 10 Jahren zerstreitet sich das Ehepaar Mollath (er Ingenieur, sie Mitarbeiterin der HVB/Hypovereinsbank Nürnberg)
– 2002 Anzeige von Frau Mollath wegen Körperverletzung (Scheidung läuft parallel), Sommer 2003 Anklage
– 2003 Anzeige von Hr. Mollath betreffs Schwarzgeschäfte – gegen seine Frau, weitere Mitarbeiter der HVB und 24 Kunden
Dezember 2003: Staatsanwaltschaft Nürnberg leitet aufgrund dieser Anzeige keine Ermittlungen ein
– 2006 ordnet das Landgericht Nürnberg die Unterbringung Hr. Mollaths in der Psychiatrie an („paranoide Wahnsymptomatik“, Gefahr für die Allgemeinheit)
das wird in Folge durch mehrere Gutachter und Gerichte bestätigt
B. Für mich stellt sich als erstes die Frage: Wie hat das Gericht sein Urteil/die Klinikeinweisung begründet?
– Ist allein wegen Körperverletzung und kurzzeitiger Festhaltung (einer Person!), wenn erwiesener Tatbestand, eine Psychiatrie-Einweisung notwendig?
– Wurde zur Begründung die nicht weiter verfolgte Anzeige gegen eine Personengruppe wegen Wirtschaftsdelikte ausdrücklich mit herangezogen?
– Warum wurde kein Verfahren gegen Frau Mollath usw. eingeleitet?
– Hat sich das Gericht in den rund 3 Jahren überhaupt um einen internen Prüfungsbericht der HVB bemüht, der schon 2003 erstellt worden ist und die Vorwürfe bestätigt hat? Wurde er gewertet? Wem, wie und warum ist dieser erst November 2012 bekannt geworden? Hätte das nicht als Versäumnis von Staatsanwaltschaft und Landgericht Nürnberg gewertetwerden und zur sofortigen Überprüfung des Urteils von 2006 führen müssen?
C. Aktivitäten des Bayer. Justizministeriums/Frau Merk
– Ende 2012 Antrag an Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, den Fall neu aufzurollen
– Feber 2013 räumt die Nürnberger Justiz „handwerkliche Fehler“ ein (Daten seien vertauscht worden)
– am 18.3.2013 findet das OLG, also Oberlandesgericht Nürnberg, „neue Tatsachen“: ärztliches Attest über körperlche Angriffe 2001 nicht echt –
sowie Zweifel an uneidlichen(!) Aussagen von Frau Mollath im Verfahren 2006 –
da diese 2006 aber nicht bekannt gewesen seien, sei das nicht geeignet, die Richtigkeit des Urteils 06 und dessen Grundlagen in Frage zu stellen
B 2.1: dringende Frage nach Verletzung der Sorgfaltspflicht durch Landgericht und nunmehr auch OLG
und ob das wirklich ohne Folgen bleiben darf, ein Mensch aber leiden muss
B 2.2: die Frage an Frau Merk, die ab November 2012 richtig gehandelt hat, die auf kein Gericht Einfluss nehmen darf: Wie kam sie vorher (wann?) zur Feststellung, zwischen Geldwäschevorwürfen und der Einweisung in die Psychiatrie bestünde kein Zusammenhang? Meine Fragen oben B sind da entscheidend!!
Weiters: Hat die Ministerialbürokratie nicht wenigstens die Möglichkeit nachheriger Kontrolle? Hätte sie die Versäumnisse, „handwerklichen Fehler“ und falschen Bewertungen nicht längst entdecken müssen? Und über Anträge kann man auch sofort die Öffentlichkeit informieren!
D. Ist es verständlich, dass in Folge LG Nürnberg, LG Regensburg ergebnislos eingeschaltet werden und die Vollstreckungskammer des LG Bayreuth am 29.4.13 vom letzten Gutachter bloß „eine ergänzende Stellungnahme über die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten “ (gegen wen? seine Frau? gegen erwiesene Schwarzgeldakteure?) einfordert?
Justizministerium, Anwalt und sogar Staatsanwaltschaft Regensburg erreichen nichts gegen OLG Nürnberg (s. oben), LG Regensburg (lehnt 28.5. Ausserkraftsetzung ab,
lehnt 24.6. Wiederaufnahme ab: „kein zulässiger Grund in beiden Fällen“)) und LG Bayreuth (hatte am 12.6. die Fortdauer angeordnet).
Das Bundesverfassungsgericht bringt die Wende, da es (wie am 22.6. bekannt wird) das Bayerische Justizministerium stützt und von ihm bis 23.7. und ebenfalls von der Bundesanwaltschaft eine Stellungnahme anfordert.
So sieht sich am 6.8. das OLG Nürnberg zu dem Beschluss gezwungen, Wiederaufnahme und sofortige Freilassung anzuordnen.
Ein Mensch, der zwischen Mühlsteine von Justiz und Psychiatrie gerät, kommt ganz schwer raus, niemandem verantwortliche Richter sind kaum zur Einsicht zu bewegen!
Und was stand politisch zwischen 2003 und 2006 dahinter? Ich konnte den sehr umfangreichen Untersuchungsausschuss-Bericht noch nicht studieren, bin da aber auch sehr vorsichtig!
walter.schober@cablemail.de