Chinesische Textilien der Sammlung Marx im Völkerkundemuseum München
Chinesische Textilien der Sammlung Marx im Völkerkundemuseum München

Chinesische Textilien der Sammlung Marx im Völkerkundemuseum München

Wie bereits berichtet, werden von Februar bis zum 30.9. in zwei Räumen des Museums Meisterwerke aus der Yuan-, Ming- und Qing-Zeit Chinas unter dem Titel „Des Kaisers geschenkte Kleeider“ gezeigt, in einem dritten Raum  eine Reihe feinster osmanischer Stoffe und Stickereien aus dem 16. und 17.Jhd (ein Ikat stammt aus dem Jemen des 9./10.Jhds; auch das safawidische Persien des 17.Jhds, Indien, Turkestan und  Marokko sind vertreten).

Es stehen also nicht geknüpfte Teppiche im Blickpunkt.

Vergooldete Altarornamente und Götterstatuen aus tibetischen Tempeln stellen einen Zusammenhang her.

 

Der Münchner Steuerberater  Claus-Peter  Marx und seine Frau Agnes, zuletzt wohnhaft in Tutzing, haben seit den 70er Jahren einen Schatz zusammengetragen,  unter dem sich Unikate und Fast-Unikate – weltweit gesehen – befinden. Für den Sammler war neben Alter und Kunstfertigkeit die farbliche Qualität entscheidend – ein schwieriges Kriterium schon im Blick auf  die Erhaltungszeit und -bedingungen. Auf Reisen in die Länder haben sie ihr kulturelless

Einfühlungsvermögen gestärkt, eine der Voraussetzungen für ihren Blick geschaffen.

Glücklich, wer diesen Nachlass der leider allzu früh Verstorbenen besitzen wird (das Musum? Dann wäre er der

Allgemeinheit zugänglich).

 

1. Der Religionsstifter Buddha selbst wurde um diese Zeit und in China bereits anthropomorph (als Mensch) dargestellt, in einem ikonographischen Kanon (zB seit dem 12. Jh auf einer Lotosblüte sitzend: mit bestimmteen Mudras=Gesten; mit bestimmten Begleitfiguren…). Gerade auch  in der Flächigkeit textiler Darstellungen kann durch eine exzellente Technik im Weben,  Sticken und Broschieren eine Kapazität der Ausstrahlung erreicht werden, die  dem Gläubigen den Blick auf ihn sehr lange ertragen lässt, viel an Aussage ermöglicht. – Einzelheiten wie die dunkle, silberbroschierte Haut wären zu beachten.

Thangkas, Darstellungen des buddhistischen Kosmos, waren meist gemalt – hier sieht man auch einen sehr fein bestickten.

 

2. Neben der Welt der Religion – ob in der chinesischen Mythologie oder im Buddhismus wurzelnd –  ist die Welt des kaiserlichen Hofes in China ein Schwerpunktbereich bei Marx.

Kleider der Kaiser selbst und der am  Hof Lebenden sind nicht Sammelgegenstand – ausser Prinzenkleider, von gelb bis rosa -, aber es wurde viel an Textilien für den Hof verfertigt: In der konfuzianischen Gesellschaft – eine Zivilethik mit strengem Bildungs- inklusive Prüfungssystem – war jedem ein Rang zugewiesen, der an der Kleidung erkennbar sein musste. Das erreichte man durch einen Überhang auf den Halsausschnitt: Rangquadrate wie ein Kragen  über dem Gewand vorne und hinten getragen (Beispiel aus der frühen Ming-Zeit, also 14.Jh) – oder fest aufgenäht, sogenannte Patches (buzi).

Man muss hier zwischen  militärichen und zivilen Rängen unterscheiden, jeweils 12, durch Tiergruppen als Symbole ausgesprochen: angriffslustige Säugetiere wie Bär, Löwe, Tigeer (Rang 4) einerseits, andererseits Vögel (Kranich ist Rang 1,Reiher, Pfau u.a.) – eingebettet in  Felsformationen, Wolken, stilisierte Flammen. Auch mystissche Tiere

spielen eine Rolle – sensationell: Marx hat  den weltweit einzig erhaltenen Kragen für einen Zensor: den einzigen, der Kritik an Entscheidungen des Kaisers übern, eine Meinung gegen ihn haben durfte (löwenähnliche Fabelwesen xiezhi mit buschigem Schwanz, Haaren nach oben).

W e r   einer war, musste er am Hof vorführen. Bei Empfängen musste jeder vorgestellt werden – ausser es wurde ein Fächer aufgespannt (Es gibt Forschungen über das Ming-Hofzeremoniell).

Grundsätzlich ist zu sagen, dass die kaiserliche Farbe ein sattes  Gelb ist, dass der Drache auf Kleidern vielfach dargestellt wird (5, in fester Anordnung: 2 gegenständig, 1 jeweils auf den Schultern). Ikonographisch haben die frühen noch eine Art Hirschhornstumpf,  die Zahl der Klauen ist ab der Ming-Zeit 5, das Maul ist weit aufgerissen, Nüstern, furchterregend, Haare. Man beachte die Körperdrehung anhand der  Kammführung, die Schuppengestaltung.

In Schnitt und dekorierten Teilen achte man auf Rückenteil, Halsausschnitt, Armansatz, Saum (manchmal ist die Naht

umgeschlagen), ob drübergeschlagen wird. Es konnten auch Manschetten angesetzt werden (sind teils extra gesammelt worden).

 

Die Technik ist auch für Datierung wichtig.  In der Yuan- und frühen Ming-Zeit wurde mit flachen Stichen gearbeitet,

konzentrisch ausgerichtet. Es gibt eine Art Schlingenstich (für die Schuppen). Eine spezielle Technik ist der sog. Needle Loop, eine Art Kettstich. Man beginnt zB mit der Goldkontur der Wolken (nicht  vorgezeichnet,wie sonst) und arbeitet mehr oder minderr konzentrisch weiter.

Kossu ist eine Art Kelimweberei in  Seide, wo man Schattierungen der Farbe durch einzelne Schüsse parallel erzielen kann (siehe die Felsformationen). 4 Stücke der Sammlung  haben Goldgrund.

Wichtig für Detailausführung und Expressivität sind Schattierungen der Farben (typisch Ming-zeitlich; Grün und Weiss zusammengesponnen ergibt eine spezielle Farbfläche) und die Broschierung – auch auf welchem Grund (ob Silberfäden, wobei auch Einzelteile von Pfauenfedern mit eingerollt wurdern; ob Goldfäden zB auf blauem Grund).

 

3. Eine grosse und wichtige Gruppe sind die vom Kaiser anstelle von Orden verliehenen Stoffballen (grösste in 1,4 m

breiten Bahn gewebt, sehr feines Kossu; Wolkenbänder-Führung beachten und Roben.

Sie gingen auch in die Peripherie des Reiches hinaus (mongolische, tibetische Gebiete) und wurden dort  dem lokalen

Geschmack entsprechend angepasst (Schritte weiter und man kann sich die Anziehungskraft chinesischer Stickereien und Gemälde auf die gesamte damalige Kulturwelt erklären, zB auf die iranische Malerei/Miniaturmalrei des Vorderen

Orients ab dem 13.Jh; Wolkenbänder ab dem 15.Jh).

Man beachte gegebenenfalls die Kante rechts und links sowie den Abschluss nach unten

Marx konnte herrlichste Beispiele erwerben (zw. 14. u. Anfang 18.Jh):

Umschlagtuch kasaya eines hohen Lama in kaiserlichem Gelb;

zu „Fetzengewändern“ für Priester Verarbeitetes (sie durften nicht aus einem kompletten Stück sein)

Tempelfahnen (mehrfach zusammengefügt), Wandbespannungen (1 relativ grosser Vorhang)

In Singapur hat er eine Regimentsfahne aus dem 15./16.Jh erworben (mit Hirsch) – es gibt nur 3 weltweit (eine im

Ostasiatischen Museum Berlin: Einhorn m. typischer Schuppenform); immer aus 2 Teilen, in Längsrichtung

wellenbegrenzt, umgeschlagener Naht.

 

Über den islamischen Teil folgt ein eigener kürzerer Bericht.

 

walter.schober@cablemail.de

 

 

 

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