I. Ich will die Frage in einem ersten Durchgang mit den Worten des „Akademischen Direktors“ (und damit Chef des Hauses, im Kreis von 19 Professoren – ein aus der Schweiz auf den Lehrstuhl für Physikalische Chemie berufen) Prof. Ueli Heiz beantworten:
Katalysatoren sind kleinste Maschinen in der Nanometer Größenskala,
die die Umwandlung von chemischen Substanzen antreiben, indem chemische Bindungen gespalten und neu gebildet werden. Katalysatoren arbeiten dabei idealerweise über Millionen und Millionen von Reaktionszyklen, ohne dabei verbraucht zu werden.
Dies ist der Grund, wieso kleinste Mengen von Katalysatoren größte Mengen von Ausgangsstoffen in wertvolle Produkte umsetzen können.
Das Forschungsgebiet der Katalyse ist bei den meisten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts eine Schlüsseltechnologie, sei es bei der Energieforschung, d.h. der Herstellung alternativer Brennstoffe, oder der Speicherung von alternativer Energie, beim Umweltschutz oder der Synthese von effizienten Pharmaka.
Da der internationale Großkonzern Clariant 2010 in der Munich Catalysis Alliance, kurz MuniCat, eine strategische Forschungspartnerschaft mit der TUM eingegangen ist,
nunmehr im Hause hier mitbeheimatet (neben seinen Labors in Planegg; siehe Artikel vom Oktober 2015), ergänze ich den letzten Absatz mit den Worten von Clariant, nach denen die Firma „Katalysatoren und Absorbentien entwickelt, um Kunden nachhaltige Vorteile zu erbringen. Sie können helfen, die Produktionsleistung zu erhöhen, den Energieverbrauch zu senken und den Schadstoffausstoß bei Industrieprozessen zu verringern.“ Weiters ermöglichen Katalysatoren, „alternative Rohstoffe (sc.:etwa alternativ zu Öl) als Grundlage für die Herstellung von Chemikalien und Brennstoffen zu nutzen.“
II. Durchgang 2: Geschichte
– Aus einem Produkt durch chemische Umwandlung/Stoffwechsel – nicht durch Handarbeit – ein anderes herzustellen, hat der Mensch schon einige Jahrtausende vor Christus verstanden. Wikipedia nennt als Beispiele die Alkoholvergärung aus Zucker sowie die Essigsäureherstellung aus Alkohol mit Hilfe von Enzymen (Den Ausdruck musste man ja nicht kennen – man hat einfach einen Weg gefunden).
– Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jhds hat man einige Entdeckungen gemacht (Stärkespaltung, Zerfall von Ethanol, Schwefelsäure durch Bleikammerverfahren, Ammoniakzerfall, Feuerzeug-Erfindung …) und man ist auf den Einfluss von Eisen, Silber, Mangan, Platin aufmerksam geworden, sodass
– der schwedische Mediziner und Chemiker Jöns Jakob Berzelius 1835 aus den Gemeinsamkeiten das Prinzip herauslas und den Begriff Katalyse pägte (aus dem Griechischen: „Auflösung“. „losbinden, aufheben“) mit der ersten Definition der chemischen Reaktion, zu der „ein weiterer Stoff“ notwendig sei:
„Die katalytische Kraft scheint eigentlich darin zu bestehen, dass Körper ihre blosse Gegenwart, und nicht durch ihre Verwandtschaft, die bei dieser Temperatur schlummernden Verwandtschaften zu wecken vermögen, so dass zufolge derselben in einem zusammengesetzten Körper die Elemente sich in solche andere Verhältnisse ändern, durch welche eine größere elektrisch-chemische Neutralisierung hervorgebracht wird“ (zit. nach Wikipedia; TUM-Präsident Herrmann zitierte die Definition gekürzt bei seiner Festrede).
Eine moderne Definition fand Wilhelm Ostwald 1894:
„Katalyse ist die Beschleunigung eines langsam verlaufenden chemischen Vorgangs durch die Gegenwart eines fremden Stoffes“, und später: „Ein Katalysator ist ein Stoff, der die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion erhöht, ohne selbst dabei verbraucht zu werden und ohne die endgültige Lage des thermodynamischen Gleichgewichts dieser Reaktion zu verändern.“ Dafür und für seine weitere Aufarbeitung erhielt er 1909 den Nobelpreis für Chemie.
– Im 20. Jhd wurden vermehrt Enzyme als auch Metalle (Spurenelemente, Metalloxide) als Katalysatoren eingesetzt, in der Nahrungsmittelherstellung (Margarine, Speisefette zB), in der Großtechnik, in der industriellen organischen Chemie, in Raffinerien (hochoktanige Benzine), in der petrochemischen industriellen Massenproduktion (Kunststoffzeitalter). Es wurden andere Rohstoffe als Öl als Ausgangsprodukte eingesetzt, es wurde mit Hochdruckverfahren (und dem Gegenteil) gearbeitet…
Aber das Potential der Enzymkatalyse für die Herstellung von Feinchemikalien, Arzneimitteln, Vitaminen oder Waschmitteln sei bis heute, über 100 Jahre nach der Entdeckung der Grundlagen, bei weitem nicht ausgeschöpft, urteilt Wikipedia, und das gilt für alle Katalyse,
weswegen der Chemieordinarius Prof. Wolfgang Herrmann als Präsident der TUM 2007 den Antrag an den Wissenschaftsrat gestellt hat auf Errichtung des TUM CRC Catalysis Research Center mit der Kernbegründung (mittelfristig): Erforschung multifunktioneller, nanostrukturierter Katalysatoren in einem interdisziplinären Ansatz. Mehr als 80 % der Wertschöpfung der Chemischen Industrie beruhe ja auf katalytischen Verfahren, der internationale Katalysatorenmarkt habe mittlerweile ein Volumen von 15 Milliarden US-Dollar, mit steigender Tendenz.
Der Antrag wurde sofort bewilligt, weswegen der Montag dieser Woche ein stolzer Tag für Präsident Herrmann war.
In der Zwischenzeit wurden eine Reihe von katalyserelevanter Professuren gegründet sowie einige Forschungszentren zur Kooperation gebaut (siehe auch das Richtfest vorige Woche; in direkter Nachbarschaft ist ein Bau für Protein-Forschung in Planung). Das „Wacker-Institut für Siliciumchemie“ ist eine weitere Industrie-Partnerschaft und assoziiert ist auch das „Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe“ in Straubing.
Wahrhaft ein kohärentes Gesamtkonzept der Elite-Universität TUM!!
III. Kurzfassung mit eigenen Worten:
Stoffwechsel, also Umwandlung in einer chemischen Reaktion, gibt es häufig – schon die Verdauung ist ein solcher. Alte Bindungen werden gelöst, neue geknüpft. Das geschieht aber nicht von selbst, wird durch andere anwesende Stoffe
ausgelöst, begünstigt, beschleunigt – und das sind die „Katalysatoren“. Sie sind also „Wirkstoffe“ in zufälligem oder beabsichtigtem Miteinander mit dem Ausgangsstoff – und da als Dritter der Mensch beteiligt ist, müsste man den Ausdruck „Werk-Stoff“ erfinden: in einer „Kollaboration“ eingesetzt (Was die Ambivalenz im Begriff mitschwingen lässt).
Manchmal sind dabei spezifische Katalysatoren nötig, um eine Bewegung, eine Reaktion (Kinetik) überhaupt erst in Gang zu setzen oder in eine bestimmte und erwünschte Richtung zu steuern oder Fehlrichtungen auszuschließen (Schadstoffe zu vermeiden, oder „Nebenprodukte als störende, meist entsorgungsbedürftige Ballaststoffe“(so Prof. Herrmann): „selektiv“, „maßgeschneidert“ also). Optimierung als Aufgabe!
Solche Stoffe können natürliche, biologische Stoffe sein (Enzyme zB) oder metallische vorhandene (mindestens Spurenelemente, auch Metallsalze, auch Schwermetalle) oder im Labor hergestellte.
Es ist Energie nötig (Überwindung einer Barriere), vor allem in der Großtechnik, in der Industrie – aber kann durch Forschung reduziert werden (der volkswirtschaftliche Aspekt). Wie kann die Effizienz gesteigert werden?
Wie können neue katalysierende Stoffe entwickelt werden, wie können alternative Ausgangsprodukte gefunden werden?
Gibt es nützliche Endprodukte, die wir gar noch nicht kennen? Was kann mit Blick auf die Umwelt optimiert werden?
Mangel bzw Überfluss, Ungenutztes, Klimaschädlichkeit sind sicher beachtenswerte Stichworte.
„Deutschland kann nur seine wirtschaftliche Spitzenposition behaupten, wenn technologische Innovationen kontinuierlich für die Erneuerung, Erweiterung und Verbesserung der Warenproduktion führen“ (Prof. Herrmann)
IV. Aufgabenstellung und Konzept des Hauses
Warum die Zeitspanne von 9 Jahren zwischen Projektierung und Einweihung? Offensichtlich gab es ein hartes Ringen um das Richtige: zwischen den zur Forschung Beauftragten aus 5 Fakultäten und Partnern mit ihren vorausschaueneden Vorstellungen – den Baufachleuten zur Umsetzung – den „Vorgaben“ der Verwaltungsleute/Juristen. Dieser Bau als Erstausführung in Deutschland (nicht nur!) war eine Herausforderung ersten Ranges und da ist ein Learning by Doing wohl verständlich!
Lassen wir wieder den Hausherrn Prof. Heiz zu Wort kommen, wobei die Prioritäten deutlich ausgesprochen werden:
die Kooperation (ohne Ambivalenz des Begriffes!) sowohl im Arbeitsfeld
als auch in Kommunikationsbereichen dazu (per IT weltweit in Echtzeit).
„Aus unserer Sicht war es die höchste Priorität, in ein funktionierendes Forschungsgebäude einziehen zu können, in ein Gebäude ohne große technischen Kinderkrankheiten, was sonst zu der Lahmlegung unserer Forschungsarbeiten geführt hätte. Dies hätten uns unsere Geldgeber nicht verziehen………
Das Gebäude wurde auf der Fläche eines Fussballfeldes gebaut. Die Laborinfrastruktur, welche 6000 m2 umfasst, musste nicht nur präparativ arbeitenden Gruppen genügen, sondern auch Gruppen der technischen Chemie, Oberflächenkatalyse oder Laserspektroskopie.
Für den Laborbau wurde ein neues Konzept realisiert.
Um die Synergie zwischen den interdisziplinär arbeitenden Gruppen zu fördern und projektbezogene Forschung interdisziplinär durchzuführen, wurden großflächige Labors von 250 m2 oder sogar 500 m2 gebaut. Durch die Dreiteilung der Labors in Präparationsbereich, Laborbereich und Auswertebereich und die Größe der Labors wurden Infrastrukturzonen für die Unterbringung großer Laborgeräte für die gemeinsame Nutzung geschaffen, Laborgeräte, die im alten Gebäude undenkbar gewesen wären.
Innovative Forschung ohne modernste Geräte ist undenkbar, aus diesem Grund wurde die Zentrale Analytik mit Geräten im Wert von 10 Millionen ausgestattet, dabei sind 80% Neuanschaffungen. Die Zentrale Analytik erstreckt sich über alle 3 Etagen, ist themenbezogen und bedient nicht nur die präparativ arbeitenden Gruppen, sondern auch die Reaktionstechnik und die Oberflächenkatalyse. Für die Umsetzung des Forschungsbaus mussten technische Spitzenleistungen erbracht werden. 600 Digestorien können gleichzeitig mussten technische Spitzenleistungen erbracht werden. 600 Digestorien können gleichzeitig betrieben werden, diese entsprechen modernster Technologie, trotz 8-fachem Luftaustausch pro Stunde benötigen sie nur 70% der Energie üblicher Digestorien. Dies ist nur ein Bespiel der herausragenden Technologie, die auf einer Bruttofläche von 11.000 m2 verbaut und installiert wurde.“
Ich füge ein: Es wurden also nicht wie üblich kleinere Labors und Büros nebeneinander gesplittet für die einzelnen Arbeitsdisziplinen gebaut. Zudem stellten die schweren Geräte entsprechende statische Herausforderungen dar.
„Die Förderung des Austauschs zwischen Wissenschaftlern hatte auch Priorität. Der Innenhof, der großzügige Eingangsbereich, aber auch die Erker sind Beispiele für solche Kommunikationszentren.“
Erwähnt werden muss auch die künstlerische Ausgestaltung im und vor dem Bau.
MünchenFenster/ Walter Schober