Die Aufgabenstellung ist, den Gesamt-Bahnknoten Region Stuttgart leistungsfähiger zu machen. Das kann nur durch klare Aufgabentrennungen mittels Spezifikationen der jeweiligen Infrastruktur geschehen: Jede Zugart muss auf ihren Gleisen funktionsfähig sein – Konvergenzen/Synergien können nur dort ausgeschöpft werden, wo verschiedene Züge sich nicht behindern. Entflechtung statt Vermischung zu einem Mischbetrieb ist gefordert: grundsätzlich in allen Bahnhöfen (mittels getrennter Bahnsteige).Zwischen diesen entscheidet die Zugfrequenz/In-Anspruch-Nahme, ob zwei Gleise ausreichen – sicher nicht in Ballungsbereichen!
Oberstes Ziel ist nicht die Anzahl der Züge, sondern die Kürze der Gesamtreisezeit des Fahrgastes inklusive seiner Eigenwege und somit seiner geringsten Belastung. Dazu müssen die Zugarten aneinandergeführt, aber nicht vermischt werden. Das kann auch die Auftrennung von Bahnhöfen bedingen, aber mit optimalen Verbindungswegen (Man nennt das „Überstieg“). Darin liegt die Leistungsfähigkeit eines Bahnhofs in sich und eines Knotens.
Was heisst das für Stuttgart? Ist die Schlichtung da auf dem richtigen Wege? ———- Titel anklicken!
Autor: walter.schober@cablemail.de
Bei den in Stuttgart heiss umstrittenen Projekten, die darum Gegenstand der Schlichtung unter Heiner Geißler waren, handelt es sich um
1.Stuttgart 21 – im engeren Sinne die Drehung (um 90 Grad) und Tieferlegung (um 11 m) des Hbf, unmittelbar nördlich des bestehenbleibenden Bf-Gebäudes, wozu zuerst die Gleise und Bahnsteige gekürzt werden müssen.
Da deswegen die Zufahrten/Abfahrten beidseits neu konzipiert und gebaut werden müssen, gehören der Tunnel von/nach Feuerbach bzw. abzweigend in Richtung Bad Cannstadt im Westen und unter Wangen nach Ober/Untertürkheim östlich des Neckar (zugleich Abzweigung das Isartal aufwärts) zum Projekt – zudem das 9,5 km lange Fildertunnel-Paar unter der Stadt Richtung Süden zur Messe/Flughafen (Station Neubaustrecke; dieserBereich ist noch nicht planfestgestellt)) mit Anbindung an die
2.Neubaustrecke Stuttgart-Ulm nahe der Autobahn und über die Schwäbische Alb (Teile planfestgesteelt, in Teilen läuft das Verfahren; Donaubrücke und Bf Neu-Ulm sind bereits in Betrieb).
Beide Projekte sind ausschließlich für den FV( Fernverkehr: Magistrale Paris-Budapest, ECS`s,ICE´s) und RV, also Regional-Express-Verkehr, konzipiert. Der GV/Güterverkehr kann nicht durch Städte (schon gar nicht im Tunnel) geführt werden – für ihn gibt es die Nordtangente Feuerbach-Bad Cannstadt-alte Strecke über die Geislinger Steige zum Container-Bf Ulm-Ulm bzw. leichtere Güterzüge über den Abstellbahnhof das Isartal aufwärts nach Wendlingen und Einbindung in die Neubaustrecke.
Für die S-Bahnen, die ja linear von Station zu Station verkehren, gibt es im Stadtbereich eine eigene Infrastruktur mit eigenem Tunnel, der den Hbf – jetzt und in Zukunft – unterfährt. Das U-Bahn-Netz ist kein Metro-Netz wie z.B. in München, sondern ein tief liegendes Tram-Netz (auch Stadtbahn genannt).
Die R genannten Regional(Express)Züge benützen das FV-Netz (in Ordnung, solange sie nicht überall halten) und damit auch den neuen Bf – dies mit dem grossen Vorteil, dass sie nun durchgebunden werden können (zB.Tübingen-Heilbronn oder Aalen). Viele Fahrgäste brauchen nicht umzusteigen – was die Bahnsteige gegenüber einem Kopfbahnhof entlastet und Verspätungen für diese Fahrgäste irrelevant macht: Beides wurde in der Schlichtung nicht gewürdigt!! Andere können am selben Bahnsteig gegenüber einsteigen oder eine der drei Übergangsbrücken nutzen – ohne lange Wege mit Koffer gehen zu müssen. (K 21 hat zuletzt auch von Durchbindung gesprochen, was kreuzungsfreie Schienenwege verlangt, und die „Überwerfungsbauten“ dazu sind sehr teuer.)
Die beiden Projekte der DB AG und die von der Staatsregierung angepeilte Gesamtknoten-Lösung müssten reibungslos funktioniern, wenn die angesprochene Entflechtung von vornherein konsequent und nicht halbherzig – etwa um Kosten einzusparen – durchgezogen wird. Das wirft ein neues und wichtiges Licht auf die in der Schlichtung aufgeworfene Fragestellung nach „Verbesserungen“ und „Leistungsfähigkeit“.
Wo muss die Infrastruktur von FV und RV getrennt von der des S-Bahn-Verkehrs sein auch ausserhalb der Kernbereiche? Wo muss es getrennte Bahnsteige bzw. Durchfahrtsgleise ohne Bahnsteig geben, wo zwei Gleispaare nebeneinander? Wo müssen Verzweigungen/Zusammenführungen, auch in Tunneln (z.B.Feuerbach-Bad Cannstadt, Wangen-Fildertunnel) kreuzungsfrei sein? In Zuffenhausen, Ludwigsburg, Bietigheim; Bad Cannstadt, Waiblingen; Wendlinger Kurve; Rohrer Kurve; Böblingen, Herrrenberg?
Ein Spezialfall ist die Gäubahn, denn sie hat einen ICE- und RE-Teil – dieser braucht den Hbf und muss folglich durch den Fildertunnel zur (bestehenden) Station Terminal und über eine Rohrer Kurve nach Süden geführt werden. Sie hat aber auch einen S-Bahn-Teil, der schon heute ab Österfeld in den S-Bahn-Tunnel geführt wird. Und sie hat den Teil „Panoramabahn“, für den sich sicher ein Betreiber als Lokalbahn Nordbahnhof-Österfeld (?) findet. Die ganze Gäubahn wie in der Schlichtung vorgesehen über Feuerbach zum Hbf zu führen, halte ich für falsch.
Zwischen Rohrer Kurve und Station Terminal die bestehenden S-Bahn-Gleise (S 2 und S 3) zu nutzen, halte ich für vertretbar, wenn die Terminal-Zufahrt überprüft (und ausgebaut?) und in den 3 Stationen dazwischen eine Entflechtung der Bahnsteige (für ICE und RE) gefunden wird – in Summe billiger als die Feuerbach-Lösung.
Die Station Neubaustrecke(Messe, Flughafen) wird von einem Teil der Züge Stuttgart-Ulm bedient und den RE´s aus Reutlingen und Tübingen. Ob westlich des Terminals zwei Gleise nötig sind, muss durch eine Simulation festgestellt werden.
Damit sind wir bei dem sog. „Stresstest“ für den Tiefbahnhof und beim Gegenkonzept ITV/IntegralerTaktVerkehr. 49 Züge in Stoßzeiten auf 8 doppellange Gleise (also 16 Gleise) verteilt ergibt einen je 3fachen Wechsel, d.h. jeder Zug hat 20 Minuten Zeit fürs Einfahren-Halten-Ausfahren (Aufrück- Modus). Selbst die wenigen Langzüge hätten 9 Minuten 48 Sek. Zeit! – In München haben wir im alten S-Bahn-Tunnel einen 2-Minuten-Wechsel!!(Die Pannen liegen ausserhalb des Tunnels). Ich sehe Probleme also nicht im Tiefbahnhof, sondern wie ausgeführt möglicherweise davor. Verspätungen entstehen übrigens auch nicht in Bahnhöfen, von Sonderfällen abgesehen – man muss bei den Ursachen ansetzen!! Es muss allerdings ein ausgezeichnetes und schnell reagierendes Info-System (elektronische Anzeigen, durch Durchsagen unterstützt) geben.
Beim Gegenkonzept müssen Züge langsamer fahren oder mehr als 20 Minuten im Bf stehen, um in den Takt zu kommen (Eine Magistrale absichtlich später in den wenigen Bahnhöfen ankommen oder 30 Minuten auf einen Anschluss warten lassen – das ist internationales Ziel? Müssen alle auf den letzten Zug warten und dessen Passagiere lange Wege hetzen?) „Sie verlangsamen den Fernverkehr, Sie opfern Reisezeit!“ hieß es in der Schlichtung.
Fazit: Alles hineinstopfen statt auftrennen – damit es nicht funktionieren kann und es so teuer wird, dass es nicht gebaut werden kann: Das ist die Taktik des Zu-Fall-Bringens! Auch Verzögern durch Baustop ist Taktik: Es wird notgedrungen teurer!
Lesen Sie Mittwoch/Donnerstag: Was Geißler sagte und meinte
8.11.: Stuttgart 21 – München 21:Gibt es eine zukunftsträchtige Lösung?
24.10.: Was passierte und passiert in Stuttgart?
In einem älteren Artikel sind alle Abkürzungen aufgeführt.