Aids-Kongress 2014: mehr Perspektive für Heilung als für Impfung
Aids-Kongress 2014: mehr Perspektive für Heilung als für Impfung

Aids-Kongress 2014: mehr Perspektive für Heilung als für Impfung

Von Freitag bis Sonntag kommen im Dolce-Hotel Schleißheim ca 1500 Fachleute aus Forschung, Wissenschaft und sozialen Berufen zu den
15. Münchner Aids- und Hepatitis-Tagen zusammen – alle 2 Jahre -,
um sich mit dem neuesten Wissens- und Forschungsstand vertraut zu machen. Neue Methoden der Behandlung sowie Chancen der Heilung sind die zentralen Themen. Die Leitung hat der bekannteste Münchner Arzt auf diesem Gebiet inne: Dr. Hans Jäger.
Im Hintergrund stehen heute eine abnehmende Prävention bei uns, zweifelhafte Einstellungen und ein schwieriger Zugang zu Medikamenten in der 3. Welt, aber auch ein gesteigerter Blick auf die Jüngsten: die Embryos und Säuglinge von infizierten Schwangeren. Neben medizinischen stehen auch sozial relevante Themen wie Intersexualität, Illegalität, Kriminalisierung und Stigmatisierung im Fokus.

Die Situation heute ist: Die Immunschwächekrankheit Aids ist gut kontrollierbar, aber nicht heilbar – wenn auch Perspektiven dahin aufleuchten. Eine Infektion ist grundsätzlich kein Todesurteil mehr: Die Medikamente werden immer besser, die Lebensqualität steigt durch geringere Nebenwirkungen – in Mix und Dosis gut eingestellte Patienten haben kaum noch Einschränkungen in ihrem Leben und in ihren Entscheidungen. Aber jeder Mensch, der sich neu infiziert (hochgerechnet 3.000 jährlich in Deutschland- 4.500 nach Schätzung), ist einer zu viel. Die Prävention muss wieder stärker ins Bewusstsein treten und von allen Bevölkerungsschichten mitgetragen werden- ein weiterer Beleg für die Sinnhaftigkeit des Kongresses. Für den medizinischen sowie den sozialen und den beruflichen Bereich muß das Motto sein:
„Gemeinsam für eine Gesundheitsversorgung, gegen Behandlungsverweigerung, für Diskriminierungsfreiheit, gegen Ausgrenzung!“

Der optimistische Blick in die Zukunft hat drei Grundlagen: Bei 80 % der Patienten ist es schon möglich geworden, die Viruslast unter einen kritischen Wert zu senken, sodass sie niemanden anstecken – beim Sexualverkehr (Sie können Kinder bekommen!) , bei Operationen… Diese Behandlung schützt also auch vor einer weiteren Verbreitung der Krankheit.
Da weiters Langzeitspritzen einen deutlichen Sprung nach vorne bringen würden, werden „Depospritzen“ z.Zt. an Affen und in Kürze an Patienten getestet – in ein bis zwei Jahren könnten sie, realistisch, auf dem Markt sein, vierteljährlich oder monatlich einsetzbar.
Dass Dr. Jäger „Heilung“ als „planbares Konzept“ bezeichnet, liegt in 19 Beispielen einer gelungenen Heilung: 2 Babys, 2 Patienten in Berlin und 15
Teilnehmer einer französischen Studie (an 100 Teilnehmern) – als „Beweis, dass es möglich ist. Es klappt.“ Aber: „Wir haben noch nicht verstanden, welche Mechanismen das sind, die speziell diese Menschen an die Heilung gebracht haben.“ Also kein rekapitulierbares schematisiertes Vorgehen – aber Ansätze: bei einem infiziert geborenen Baby in den USA, bei dem nach Monaten die Zahl der Viren nicht anstieg, sondern vom eigenen Immunsystem gut
kontrolliert wurde (Man nennt das „funktionell geheilt“, denn es muss nichts mehr getan werden); bei einem Leukämie-Patienten in Berlin ließen sich nach der Knochenmarktransplantation (Stammzellen) die Aids-Erreger auch nach Jahren nicht mehr nachweisen; bei dem Körper entnommenen Helferzellen
ließ sich der Andockmechanismus für die Viren ausschalten – immun in den Körper zurückgebracht überlebten diese („genetisches Editing“, das wohl auch
bei Langzeitkranken wirken könne), während die infizierten Zellen abstarben.
Wenn bei Neugeborenen (siehe USA) und Neuinfizierten (nach einer zwei-bis dreijährigen Therapie) in Einzelfällen trotz Absetzens der Medikamente die Viruslast nicht mehr steige (siehe Frankreich), könne man dies an sich auf eine grössere Patientengruppe übertragen – aber wer kann das Risiko des Therapieabbruchs übernehmen, um auf „funktionelle Heilung“ zu testen (Gefahr des Resistenzbildung!)? Der Ausweg besteht darin, intensiv an Laboruntersuchungen zu forschen, um dies risikolos zu klären.

Wann ein Impfstoff entwickelt werden kann, ist völlig offen.

MünchenBlick/ Walter.schober@cablemail.de

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