München Juni 2013
Den diesjährigen Georg Heberer Award teilen sich die LMU-Mediziner Christoph Reichel und Wieland Sommer. Ausgezeichnet wurden die Forscher für Arbeiten zur Rekrutierung von Immunzellen und für einen innovativen Ansatz zur Durchblutungsmessung.
Beim heutigen Stiftungsfest der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München wurde der mit 20.000 Euro dotierte Heberer-Award 2013 verliehen. In diesem Jahr teilen sich den Preis zwei Mediziner und Nachwuchswissenschaftler, deren Arbeiten mit dem Blutgefäßsystem in Zusammenhang stehen: Dr. Christoph Reichel von der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde am Klinikum der Universität München erhielt den Preis für eine Studie zur Rekrutierung von Immunzellen aus dem Gefäßsystem des Körpers in das Gewebe. Aus den Ergebnissen lassen sich möglicherweise neue, effektivere Therapiestrategien entwickeln, die Immunreaktionen im Organismus gezielt beeinflussen könnten. PD Dr. Wieland Sommer vom Institut für Klinische Radiologie am Klinikum der Universität München wurde für die Entwicklung einer innovativen Methode ausgezeichnet, mit der die Durchblutung mit einer hohen Zeitauflösung dargestellt werden kann. Dies eröffnet für die Diagnostik und die gefäßchirurgische Planung ganz neue Möglichkeiten.
Zur Arbeit von Dr. Christoph Reichel
Unablässig strömen weiße Blutkörperchen (Leukozyten) durch unsere Blutgefäße. Dies gewährleistet, dass der Körper kontinuierlich nach Krankheitserregern oder körperfremden bzw. entarteten Zellen abgesucht wird. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, müssen Leukozyten die Gefäße aber an der richtigen Stelle verlassen und ins umliegende Gewebe eindringen. Die Rekrutierung dieser Immunzellen spielt daher bei der Bekämpfung von Infektionen, bei der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation und bei der Entstehung von Krebs eine entscheidende Rolle. Spezielle Lockstoffe – sogenannte Chemokine – führen Leukozyten zu ihrem Bestimmungsort. Reichel hat im Rahmen seiner prämierten Arbeit, die 2012 im Fachmagazin „Blood“ veröffentlicht wurde, mit Hilfe hochentwickelter In-vivo-Mikroskopietechniken untersucht, wie unterschiedliche Chemokine die Leukozyten leiten und dabei Gemeinsamkeiten und Unterschiede detailliert aufgeschlüsselt. Die Erkenntnisse dieser Untersuchungen könnten zur Entwicklung neuartiger Therapiestrategien beitragen, die die Immunzellrekrutierung gezielt beeinflussen. Im Vergleich zu herkömmlichen Therapien könnte dies die Effektivität erhöhen und geringere Nebenwirkungen nach sich ziehen.
Christoph Reichel wurde 1979 in München geboren, wo er auch Humanmedizin an der LMU studierte. Nach verschiedenen Studienaufenthalten in Japan, Australien und den USA promovierte Reichel im Jahr 2008 am Walter-Brendel-Zentrum für Experimentelle Medizin (WBex) der LMU mit der Note „Summa cum laude“. Im Anschluss ermöglichte Reichel ein Forschungsstipendium der DFG, weiter am WBex zu arbeiten. Seit 2009 ist er als Assistenzarzt an der Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Klinikums der Universität München in Großhadern tätig. Neben seinen klinischen Aufgaben widmet er sich im Rahmen des SFB 914 „Trafficking of immune cells in inflammation, development, and disease“ weiterhin intensiv der Erforschung der Immunzellrekrutierung.
Zur Arbeit von PD Dr. Wieland Sommer
In seinen Forschungsarbeiten befasste sich PD Dr. med. Wieland Sommer mit hochauflösenden bildgebenden Verfahren in der Medizin, mit deren Hilfe Blutgefäße im Körper dargestellt werden können. Die sogenannte CT-Angiographie ermöglichte bisher nur Momentaufnahmen – also statische Darstellungen des Blutgefäßsystems. Sommer entwickelte nun ein innovatives neues dynamisches Verfahren, mit dem die An- und Abflutung des Kontrastmittels mit einer hohen Zeitauflösung dargestellt werden kann – so wird ein zeitlicher Verlauf der Durchblutung sichtbar. Dies eröffnet vor allem für die Diagnostik und die Planung gefäßchirurgischer Eingriffe der Aorta, der Beckengefäße, sowie der peripheren Gefäße von Armen und Beinen ganz neue Möglichkeiten. Bei der Aortendissektion – einer schweren Erkrankung, bei der die Hauptschlagader innerlich aufgespalten wird – kann hierdurch das Risiko eines Gefäßverschlusses abgeschätzt werden. Auch für die Nachsorge von Aortenstents liefert der neue Ansatz wichtige quantitative Informationen – etwa darüber, ob das überbrückte Gefäßstück weiter durchblutet wird. Dem Gefäßchirurgen werden so entscheidende Hinweise für die Notwendigkeit eines erneuten Eingreifens geliefert. Außerdem kann mit dem neuen Verfahren die Versorgung verschiedener Tumore mit Blutgefäßen beurteilt werden. Zu diesem Themenkomplex publizierte Sommer 2012 drei Beiträge in den renommierten radiologischen Zeitschriften „Radiology“, „Investigative Radiology“ und „European Journal of Radiology“.
Wieland Sommer wurde 1980 in München geboren. Sein Medizinstudium absolvierte er in Heidelberg, Berlin, Madrid und Lausanne. Sommer promovierte im Jahr 2010 am „Berlin Neuroimaging Center“ im Fachgebiet der kognitiven Neurowissenschaften und schloss seine Promotion mit „Summa cum laude“ und einem Promotionspreis ab. Seit 2007 arbeitet er am Institut für klinische Radiologie des Universitätsklinikums Großhadern, wo er 2012 habilitierte. Seit 2011 nimmt er außerdem an der Harvard School of Public Health an einem Masterstudiengang teil, den er im August 2013 abschließen wird.
Über den Heberer Award
Im Jahr 2000 wurde erstmals an der LMU der nach dem Chirurgen Prof. Dr. Dr. h. c. Georg Heberer (1920-1999) benannte Georg Heberer Award der US-amerikanischen Chiles Foundation verliehen. Heberer war bis 1989 Ordinarius für Chirurgie und Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik am Klinikum Großhadern. Er beeindruckte als akademischer Lehrer und Forscher durch sein universelles Wirken und genoss als Chirurg große internationale Anerkennung. Mit der jährlichen Preisverleihung soll die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen auf dem Gebiet der Chirurgie gefördert werden.
Gestiftet wird der Preis von der seit über 50 Jahren bestehenden Chiles Foundation, die die medizinische Forschung vor allem auf dem Gebiet der Krebsforschung unterstützt. Die Stiftung unterhält große Institute an der Boston University und der Stanford University sowie das Krebsforschungszentrum „Earle A. Chiles Research Institute“ an der Oregon University in Portland.
Seit 1986 wird ein intensiver wissenschaftlicher Austausch zwischen der Chirurgischen Klinik des Klinikums der Universität München und der Harvard Medical School sowie der Oregon Health & Science University gepflegt. Begabte deutsche Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sollen mit der Verleihung des großzügig dotierten Georg Heberer Awards unterstützt und ermuntert werden, ihre wissenschaftlichen Projekte im Rahmen internationaler Kooperationen an ihren Heimathochschulen weiterzuführen.