Die konzertanten Aufführung dieser Bellini-Oper war ein grosses Erlebnis.
Veranstalter: Vita e Voce
Nach Rossinis „stark verzierten, leichten Melodien“ werden die Melodien der Belcanto-Komponisten Bellini und Donizetti als „breiter Gesang“ charakterisiert (siehe Bericht über den Belcanto-Abend des gleichen Veranstalters bzw. die Texthefte zu dessen Abenden). Legato-Kultur – Beweglichkeit (Koloraturen als dramaturgische
Mittel) – Atemtechnik zur Phrasierung und Ausdrucksgestaltung nennen die Sänger als Stilmittel, die Orchestrierung wird eigenbetont (bis zu Dialogen mit Einzelinstrumenten,insbedondere der Flöte).
„La Straniera/Die Fremde“ war 1829 der zweite grosse Erfolg Bellinis (einzige Aufführunf in München 1837,also vor 175 Jahren). Die mwhefachen Aufführungen unserer Tage sind verdient: Es ist ein grosses Werk, wenn der Inhalt auch etwas wirr ist – der Text ist durchaus poetisch (einzig in der Szene II/10 fand ich die Worte der
Damen und Ritter teenagerhaft ideologisierend).
An die Sänger werden ausserodentlich hohe Ansprüche gestellt, von den Protagonisten Sopran, Mezzo, Tenor und Bariton wird grosse Ausdruckskraft gefordert.Frau Gruberova und Herr Gavanelli leisteten da Ausserordentliches (Ich möchte sie oft erleben – nicht bloss hören; aber auch die anderen).
An einzelnen Szenen als Stichproben soll der Werkstil Bellinis dargestellt werden – zugleich der Abend gekennzeichnet werden.
Akt I, Szene 7: Hauptszene von Sopran und Tenor (Liebespaar mit dramatischen Einschlüssen)
Szene 9: Tenor und Bariton (Brautvater, der den flüchtigen Bräutigam stark arios beschwört)
Szene 10: Sopran kommt hinzu und die Geschwister erkennen sich, was heimliche Verehrer missversteht – es wird dramatisch: arios . Stimmen ineinander verschoben (mit
Textwiederholungen), strettahaft – hin zu dramatischem Finale mit doppelter Coda
Szene 11 u.a. mit dunkler Bläserstimmung (Hörner, Posaunen)
gegen Ende von Szene 15, mit Chor, zugleich Aktschluss: Sopran trägt die Szene bei spärlichem Orchester, endet mit Stretta
Akt II, Szene 7: insbesonmdere Bariton arios strettahaft bzw. rasch – Duett mit Tenor, beide retardierend ineinander, mit Stretta allein und zusammen
Szene 8: Flötensolo, grosse Szene des Mezzo (Flöte untermalt gegen Ende die Singstimme), Chor
Szene 9 endet mit Stretta des Mezzo, aber mit Chor, der die Singstimme leise untermalt – ein interessantes Stilmittel
Szene 11: Quartett, aber oft nur mit verhaltenen Einwürfen, oft arios
Szene 14: die grosse Szene der Gruberova als tragische Figur (Rezitativ, Ausbruch, Kavatine als Gebet – Harfe und Chor
Szene 16 (letzte): Die Fremde wird als Königin enttarnt, der Tenor stürzt aus seiner Hochzeit und erdolcht sich, der Sopran ist in wahnsinniger Selbstbeschuldigung
(Stretta mit Spizzentönen)
walter.schober@cablemail.de